Liebe Freund*innen, liebe Interessierte,
Corona-bedingt müssen wir unsere geplante Veranstaltung am 15.10.2020 „Gekommen um zu bleiben – Migration, Arbeit, Häuserkampf“ leider absagen. Einige der Referent*innen gehören Risikogruppen an, andere sind vom Beherbergungsverbot betroffen, sodass wir unter den aktuellen Entwicklungen die Veranstaltung nicht wie geplant durchführen können. Das finden wir sehr schade. Denn in der Vorbereitung haben wir über die Thematik viel Neues gelernt und entdeckt in Archiven Frankfurter Bewegungsgeschichte, in spannenden Gesprächen und Begegnungen mit Wissenschaftler*innen und Zeitzeug*innen der Besetzungen, Mietstreiks, des Häuserrats. All das hätte wir sehr gerne mit euch am Donnerstag geteilt und diskutiert. Aber selbstverständlich geht unserer aller Gesundheit und Sicherheit vor und wir bemühen uns einfach um einen Nachholtermin, über den wir euch sobald wie möglich informieren werden.
Abonniert doch unseren Newsletter und unsere Social Media Accounts – dort erfahrt ihr, wenn es einen Nachholtermin gibt und noch vieles mehr über unsere Arbeit:
@_turnthecorner_ auf Instagram
turn the corner auf Facebook
Danke an alle Referent*innen, Beteiligte, Unterstützer*innen und Interessierte, wir sehen uns bald wieder! Bis dahin alles Gute, bleibt gesund!
Egal ob der Frankfurter Häuserkampf oder aktuelle Mietkämpfe – migrantische Arbeiter*innen spielten und spielen zentrale Rollen.
Was sind ihre Perspektiven? Und warum kommen Migrant*innen trotzdem eher selten in den Erzählungen dazu vor? Wo trennen und verbinden sich verschiedene Kämpfe? Was bedeutet das alles heute?
In der Nacht auf den 19. September 1970 wurde die Eppsteiner Straße 47 im Frankfurter Westend besetzt. Die erste Besetzung in der Geschichte der BRD war geglückt. Sie bildete den Auftakt für eine Welle an Besetzungen und Mietstreiks, die bis 1974 andauerte und als ‚Frankfurter Häuserkampf‘ in die Annalen der Stadtgeschichte eingehen sollte. Von der ersten Minute an mit dabei: Migrantische Vertragsarbeiter*innen, die ihren Kampf für bezahlbaren Wohnraum mit dem Kampf gegen den Rassismus der Mehrheitsgesellschaft und die Ausbeutung am Arbeitsplatz verbanden.
Arbeitsmigrant*innen waren in den Auseinandersetzungen um das Frankfurter Westend genauso aktiv, wie bei Opel in Rüsselsheim oder bei den Farbwerken in Hoechst. Sie organisierten sich in Gruppen wie ‘Lotta Continua’ oder der ‘Unione Inquilini’, besetzten Häuser, prellten die Miete und setzten sich gegen den Paternalismus linker, mehrheitlich deutscher Gruppen zur Wehr. Aber Migrant*innen begehrten nicht nur in Frankfurt auf. Auch bei Karmann in Osnabrück, Ford in Köln oder Pierburg in Neuss wurde gestreikt. Allein im Jahr 1973 kam es Schätzungen zu Folge bei rund 335 Betrieben zu wilden Streiks, bei denen Migrant*innen, ohne die Unterstützung deutscher Gewerkschaften, die Arbeit niederlegten. Dennoch wurden diese ‘Kämpfe der Migration’ in der Folge kaum rezipiert. Vielerorts gerieten sie in Vergessenheit. Auch die Erinnerung an den Frankfurter Häuserkampf sollte vor allem von den ‘Spontis’ geprägt werden.
Deswegen wollen wir das 50jährige Jubiläum des Frankfurter Häuserkampfes zum Anlass nehmen, uns mit der Geschichte migrantischer Kämpfe in Frankfurt und darüber hinaus zu beschäftigen. Darüber sprechen wir mit: Dr. Serhat Karakayali, der an der Humboldt-Universität zu Migrationspolitik und -geschichte forscht; Aurelia Flora-Göppner, die bei der ‘Unione Inquilini’ organisiert war und mit ihrer Familie in einem besetzten Haus im Frankfurter Westend lebte; und Christoph Kremer, der Teil des sog. Häuserrats war und als angehender Jurist italienische Arbeiter*innen unterstützte.